„Die Apotheken vor Ort sind in akuter Gefahr“: FDP-Politiker Karrais im Gespräch mit lokalen Apothekern
„Die Lage ist ernst. Wenn es so weitergeht, werden wir ein Apothekensterben erleben,“ führte Caspar Spindler, Inhaber der Stadtapotheke Schömberg und Vorstandsmitglied des Landesapothekerverbands, ins Gespräch ein. Mit einem Schreiben hatte sich dieser an den FDP-Landtagsabgeordneten Daniel Karrais gewandt. Im gemeinsamen Gespräch in der Apotheke Zürn in Zimmern, bei dem auch deren Inhaber Dr. Moritz Zürn anwesend war, ging es um die aktuell brenzlige Lage für die örtlichen Apotheken.
Innerhalb der letzten 15 Jahre seien über 4.000 Apotheken deutschlandweit aufgegeben worden, viele weitere befänden sich akut in existenzieller Not, so Spindler. „Das hat verheerende Auswirkungen für die örtliche Versorgungssituation“, sagt der Apotheker. Grund hierfür sei, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Apotheken in den letzten Jahren erheblich verschlechtert hätten: steigende Betriebskosten, ausbleibende Inflationsanpassungen sowie ein Anwachsen der Bürokratievorschriften. Dazu kommt, dass der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Rechtsprechung kaufmännisch übliche Skonti seitens der Großhändler im Arzneimittelmarkt untersagt hat.
Dementsprechend lautet die Forderung der Apothekerschaft: eine Erhöhung der Apothekenvergütung, weniger Vorschriften, mehr Handlungsspielraum. Vor allem eine Honorarerhöhung sei für das Apothekennetz überlebenswichtig. Andernfalls könne die Versorgung vor allem in ländlichen Regionen nicht aufrechterhalten werden.
„Die Apotheken sind Arbeitgeber von rund 160.000 Menschen in Deutschland und somit ein wirtschaftlich bedeutender Faktor für die Region,“ gab Caspar Spindler zu bedenken: „Den größten Umsatz machen wir mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, an denen wir aber fast nichts verdienen. Als eingetragene Kaufleute gehen wir für die teilweise sehr teuren Medikamente in Vorleistung und tragen ein hohes Risiko, erzielen aber kaum Gewinne, da die Vergütung über die Arzneimittelpreisverordnung festgelegt ist“, fasste Spindler zusammen. „Daher kostet ein Antibiotikum in der Apotheke Zürn genau so viel wie in Hamburg, Berlin oder München. Bei freiverkäuflichen Medikamenten haben wir mehr Gestaltungsspielraum und halten uns so über Wasser, da die in der Arzneimittelpreisverordnung festgelegte Vergütung gerade so ausreicht, um die laufenden Kosten zu decken.,“ ergänzte Dr. Moritz Zürn.
Auch die Konkurrenz durch Online-Apotheken bedrohe die Existenz der Apotheken vor Ort. Letztere leisten aber über die reine Medikamentenversorgung hinweg noch sehr viel mehr: pharmazeutische Beratung, Not- und Nachtdienste, Herstellung von Sonderrezepturen sowie Botendienste. Zudem bieten viele Apotheken spezialisierte Dienstleistungen an, wie beispielsweise die Bereitstellung von Sanitätsprodukten, Krebs- oder Kindermedikamenten. „Wenn diese spezialisierten Apotheken wegfallen, werden die Leute größere Strecken in Kauf nehmen müssen,“ so Dr. Zürn.
„Das Gesundheitswesen krankt vor allem an der planwirtschaftlichen Preisfestlegung und der Profitgier der gesetzlichen Krankenkassen. Von dort werden Ärzte und Apotheker massiv unter Druck gesetzt. Dabei ist das Kassensystem mit über 90 Kassen in höchstem Maße ineffizent,“ findet Karrais. Es sei wichtig auf allen politischen Ebenen darauf hin zu wirken, dass sich die freiberufliche Aktivität als Apotheker oder Arzt lohne. „Wir haben ganz offensichtlich einen Punkt erreicht, an dem sich viele fragen, ob es sich noch lohnt eine Apotheke zu betreiben. Das ist nicht im Sinne der Bevölkerung. Darum muss sich etwas ändern“, ist er überzeugt.
Abgerundet wurde das Gespräch mit einer Führung durch die Apotheke in Zimmern, in der rund 25 Mitarbeitende beschäftigt sind. Inhaber Dr. Moritz Zürn übernahm die Apotheke Anfang dieses Jahres von seinem Vater, der diese seit 1993 betrieb. Dabei komme teils auch Automatisierung zum Einsatz. So finde die Lagerung und Herausgabe von Medikamenten über einen Kommissioniertautomaten statt, sodass mehr Zeit für die Beratung des Kunden bleibe. Einen Einblick konnte Dr. Zürn dem Digitalpolitiker Karrais auch in das E-Rezept geben. „Im Großen und Ganzen funktioniert das E-Rezept gut. Kinderkrankheiten gibt es aber schon noch“, berichtet Dr. Zürn aus seinen Erfahrungen.