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Digitalisierung wirkt sich auf das Suchtverhalten aus: Karrais im Gespräch mit Jörg Hügel

Bei einem Gespräch tauschte sich der FDP-Landtagsabgeordnete Daniel Karrais mit Jörg Hügel, dem neuen Leiter der Fachstelle Sucht im Kreis Rottweil, aus. Anlass des Treffens war ein gegenseitiges Kennenlernen, da Hügel vor kurzem die Nachfolge von Anja Klingelhöfer angetreten hatte. Bis 2019 war er bereits als Suchttherapeut bei der Suchtberatungsstelle Rottweil tätig gewesen. Nun kehrt er nach beruflichen Stationen in Heidelberg und Mannheim an die ehemalige Wirkungsstätte zurück. Im Kreis kennt er sich bestens aus und weiß um die Problemfelder.

Aktuell habe vor allem die Pandemie ihre Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Der Alkoholkonsum habe deutlich zugenommen, so Hügel. Die psychischen Belastungen und der fehlende soziale Ausgleich ließen viele eher zum Glas greifen. Hinzu käme, dass durch Home Office die Schwelle, abends ein wenig mehr zu trinken, gesunken sei. „Hier geraten viele in eine schleichende Abhängigkeit, ohne es zu merken“, konstatiert Hügel.

Auch die Mediensucht habe sich merklich erhöht. „Die Digitalisierung hat durch die Corona-Pandemie einiges an Aufschwung erfahren und hat durchaus Vorteile, allerdings fehlt es an Medienerziehung“, so Hügels Einschätzung. Karrais setzt sich als digitalisierungspolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion im Landtag schon seit Längerem dafür ein, dass das Fach Medienkompetenz in den Unterricht aufgenommen wird. „Es ist wichtig, zu lernen, wie man sich im digitalen Raum bewegt und wie man mit dem Konsum von Medien umgeht“, gibt Karrais zu bedenken.

Auch der Bereich Glücksspiel wurde von Karrais angesprochen, der im Landtag für dieses Themenfeld zuständig ist. Im Landkreis Rottweil gibt es rund zehn Spielhallen, dazu kommen Spielautomaten in Bars und Kneipen. Auf Karrais Frage, ob eine Reduktion der Spielhallen die Zahl der Spielsüchtigen verringern würde, antwortete Hügel: „Nur die Gelegenheitsspieler werden durch eine Verknappung des Angebots reduziert. Die richtig Spielsüchtigen ziehen sich ins Internet zurück. Eine Möglichkeit wäre, Eintritt für Spielhallen zu verlangen. Hier würde vor allem für Jugendliche die Schwelle steigen, aber eine Kontrolle beim verbleibenden Angebot wäre möglich.“

Seit Juli letzten Jahres gilt eine erneuerte Fassung des Glücksspielstaatsvertrags, der den Umgang mit Casino-Spielen und Sportwetten regelt. Die neue Version enthält erstmals auch Regelungen für Online-Glücksspiele. Bislang illegale Glücksspiele im Internet wie Online-Poker oder Online-Casinos sind unter Auflagen nun erlaubt. Auch die staatliche Toto Lotto Gesellschaft des Landes bietet solche Spiele nun an. „Ich finde es absurd, dass man einerseits versucht den Spielern den Sumpf auszutrocknen, aber andererseits einen staatlichen Sumpf aufbaut, bei dem der Staat ordentlich mit kassieren kann,“ kritisiert Karrais die aktuelle Situation. Durch das digitale Angebot sinke die Hemmschwelle, was vor allem jüngere Spieler gefährde, befürchtet der Suchtexperte. „Da Spielen jetzt auch legal online möglich ist, muss man nirgendwo mehr hingehen und wird nicht gesehen, sondern kann ganz einfach vom Smartphone aus seine Tipps abgeben“, so die Einschätzung des Suchtexperten. Neu eingeführte Kontrollfunktionen bei Online-Glücksspielen, wie etwa ein Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat, seien jedoch gute Ansätze. „Wie diese allerdings umgesetzt und überprüft werden sollen, bleibt abzuwarten“, gab Hügel zu bedenken. Die neue Aufsichtsbehörde werde jedenfalls erst 2023 mit ihrer Arbeit beginnen, obwohl die Legalisierung jetzt schon gelte, bemängeln Hügel und Karrais gleichermaßen.

Die von der neuen Bundesregierung geplante Cannabis-Legalisierung kam ebenso zur Sprache. Hügel steht dieser mit gemischten Gefühlen gegenüber: „Das gesundheitliche Risiko wird oft unterschätzt, vor allem für junge Menschen. Daher kommt der Präventionsarbeit eine große Bedeutung zu.“ Das Vorhaben der Ampelregierung zur Entkriminalisierung begrüße er aber, wobei vorab jedoch entsprechende Regelungen, beispielsweise für den Straßenverkehr, gefunden werden müssten. Die kontrollierte Abgabe in lizenzierten Geschäften und ausschließlich an Erwachsene sei wichtig um die Qualität zu sichern, die Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern und den Jugendschutz zu verbessern. Ebenso notwendig sei laut Hügel die von der Ampel bereits angedachte stärkere Reglementierung der Bewerbung von Suchtmitteln, worunter auch Alkohol- und Tabakwerbung fallen.

Am 25. November wird das 25. Jubiläum der Fachstelle Sucht Rottweil gefeiert, bei dem neueste Studienerkenntnisse zur Wirksamkeit ambulanter Suchtberatungsstellen vorgestellt werden sollen. Spätestens zu diesem Termin wolle man sich wieder austauschen.