Eltern warten monatelang auf Termine beim Kinderarzt
„Die Lage ist verheerend!“
Der FDP-Landtagsabgeordnete Daniel Karrais, FDP-Gemeinderätin Maximiliane Scheidel sowie FDP-Kreisrat Dieter Kleinemann trafen sich zum gemeinsamen Austausch mit Miriam Hempel und Bianca Schmidt von der Initiative „Kinder brauchen Kinderärzte“. Im Zentrum des Gesprächs standen mögliche Maßnahmen, um der Unterversorgung mit Kinder- und anderen Fachärzten im Landkreis Rottweil zu begegnen.
„Die Situation der Ärzteversorgung im Landkreis Rottweil ist alarmierend. Eltern müssen teils Stunden fahren, um ihr Kind behandeln zu lassen – wenn sie nicht schon beim ersten Anruf abgewiesen werden. Auch im Bereich der Hausärzte und Frauenärzte besteht ein gravierender Mangel“, erklärt der Rottweiler Abgeordnete Karrais nach dem Austausch. Wie aus einer Kleinen Anfrage des FDP-Politikers hervorgeht, ist der Landkreis mit einem rechnerischen Versorgungsgrad von 92 % und nur fünf Kinderarztpraxen das Schlusslicht in Baden-Württemberg. Laut Kassenärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) würde ein Kinderarzt bei einem Versorgungsgrad von 100% etwa 2.900 Kinder versorgen. Nach eigener Berechnung kommen jedoch aktuell auf einen Kinderarzt im Landkreis über 4.700 Kinder und Jugendliche. Die Situation bei Haus- und Frauenärzten sei ähnlich angespannt, unter anderem wird Ende März 2025 das Medizinische Versorgungszentrum Gynäkologie in Rottweil schließen. Der demografische Wandel werde diese Versorgungslücke in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Ab einem Versorgungsgrad von 80 % spricht die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) von einer drohenden Unterversorgung. Wie diese Zahlen jedoch zustande kommen, bleibe fraglich: „In der einen Anfrage wird ein Versorgungsgrad von 92% angegeben, in der anderen 84% und wenn man selbst nachrechnet liegt man an der 60%-Schwelle. Und auf Grundlage solch unsicherer Zahlen werden dann Entscheidungen gefällt“, kritisiert Hempel, Initiatorin von „Kinder brauchen Kinderärzte“. Ihre Online-Petition hat bereits über 5.700 Unterstützerinnen und Unterstützer gewonnen, und in einer WhatsApp-Gruppe vernetzt und informiert sie die betroffenen Eltern.
Einen Weg, um der Situation zu begegnen, sahen alle Gesprächspartner in dem Aufbau eines medizinisches Versorgungszentrums (MVZ) im Landkreis. „Ein MVZ bietet die Möglichkeit, junge Ärztinnen und Ärzte in Anstellungsverhältnissen zu beschäftigen – eine attraktive Alternative zur Selbstständigkeit. Zugleich können hier fachärztliche Kompetenzen gebündelt werden“ erklärt Karrais. Die FDP will dazu im Kreistag einen Antrag einbringen, um die Gründung eines MVZ voranzutreiben und die kinderärztliche Versorgung auf die politische Agenda zu setzen.
Neben der Forderung nach einem MVZ sprechen sich die Teilnehmer des Treffens für strukturelle Änderungen aus, darunter die Überarbeitung des starren Quotensystems durch die KVBW, die Entlastung der Praxen durch eine fortschreitende Digitalisierung sowie die Ausweitung der Entbudgetierung auf alle Fachärztinnen und Fachärzte.